Den Dialog mit Förderern erfolgreich gestalten: Streicht das P-Wort

„Ein Projekt ist ein zielgerichtetes, einmaliges Vorhaben, das aus einem Satz von abgestimmten, gelenkten Tätigkeiten mit Anfangs- und Endtermin besteht und durchgeführt wird, um unter Berücksichtigung von Zwängen bezüglich Zeit, Ressourcen (zum Beispiel Geld bzw. Kosten, Produktions- und Arbeitsbedingungen, Personal) und Qualität ein Ziel zu erreichen.“

Wikipedia-Eintrag unter dem Stichwort „Projekt“

 

Wollen wir das wirklich? Lässt sich gesellschaftlicher Wandel gestalten, indem Staat, Stiftungen und Unternehmen eine unüberschaubare Menge „einmaliger Vorhaben“ fördern? Mit „Anfangs- und Endtermin“? Unter „Berücksichtigung von Zwängen“?

Nein. Projekte sind das Gegenteil von Dauerhaftigkeit, von solidem Wachstum, von Verstetigung. Projekte kommen und gehen, die Probleme bleiben. In Projekten verbrennen Geld, Kraft und Engagement, weil selten viel von ihnen übrig bleibt, wenn der „Endtermin“ gekommen ist und die Förderer sich zurückgezogen haben. Und: In Projekten wird das sprichwörtliche Rad viel zu häufig neu erfunden.

Die Entwicklung einer leistungsfähigen und selbstbewussten Bürgergesellschaft braucht etwas ganz anderes, nämlich die Verbreitung und Verstetigung des erfolgreich Erprobten. Ideen und Modelle müssen zu sozialen Bewegungen werden. Und ihre Akteure brauchen verlässliche und dauerhaft tragfähige Strukturen.

Kurz: Es mangelt nicht an innovativen Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen. Was fehlt, ist ihre dauerhafte praktische Anwendung und Weiterentwicklung.

Es wird also in Zukunft für soziale Investoren und institutionelle Förderer stärker darum gehen, nicht Projekte zu finanzieren, sondern deren Übertragung.

Neu ist diese Erkenntnis nicht. Die „Projektitis“ wird allenthalben beklagt. Doch die Umkehr gestaltet sich offenbar schwierig und vollzieht sich entsprechend langsam. Noch immer pflegen Förderer und Geförderte zumeist ihren in Jahrzehnten eingeübten Dialog: Die eine Seite verlangt nach modellhaftem, innovativem Handeln. Die andere Seite liefert … und stürzt sich in immer neue Projekte – teils mit Leidenschaft, teils aber auch aus purer Angst ums Überleben.

 

Rettet den Overhead

Ach, der Overhead. Irgendwann wurde er zum Unwort erklärt und gilt seither als dringend zu vermeiden. Viele Förderer möchten ihn überhaupt nicht finanzieren. Der Overhaead – das sind Verwaltungskosten in Organisationen, die nicht unmittelbar bei den Zielgruppen eines Projekts ankommen. Ihn auszublenden, ist ein fataler Fehler.

Förderer verlangen von den Mittelempfängern völlig zu Recht ein professionelles Management: eine gute Öffentlichkeitsarbeit, ausgefeilte Businesspläne, eine belastbare Wirkungsmessung und regelmäßige Berichte. Zugleich aber möchten sie, dass ihr Geld zu 100 Prozent in die unmittelbare Projektarbeit fließt. Das passt nicht zusammen. Overhead muss sein. Er ist gut. Er ist die Grundlage für eine maßvolle Organisationsentwicklung.

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Die Scheu vieler Förderer vor dem Overhead ist eine Hauptursache für die Projektitis. Denn die Empfänger von Fördermitteln haben sich darauf eingestellt. Sie weisen Managementkosten oft nicht aus, sondern kalkulieren die vermeintlich erlaubten 10 Prozent in die Projektkosten ein – was wiederum bedeutet, dass eine Organisation immer neue Projekte auflegen muss, um den gesamten Apparat zu finanzieren.

Die Folgen sind bisweilen katastrophal. Projekte entstehen oftmals nicht, weil sie gut und sinnvoll sind, sondern weil sie Zugang zu bestimmten Fördertöpfen verheißen. Die Organisation konzentriert sich nicht auf ihre Kernkompetenz. Die Gefahr, sich zu verbiegen und zu überheben steigt immens.

Als Mitarbeiter eines fördernden Unternehmens bekomme ich nicht selten Förderanträge auf den Tisch, die hoch ambitionierte Projektarbeiten beschreiben und – offenbar in vorauseilender Angst vor unserer vermeintlichen Overhead-Aversion – die Ressourcen für das Management völlig unterschlagen. Spricht man die Antragsteller darauf an, hört man bisweilen Sätze wie diesen: „Ja, aber wir haben leider keine Strukturförderung und müssen uns deshalb über Projekte finanzieren.“ Förderer und Geförderte haben sich missverstanden. Die unselige Spirale der Projektitis setzt sich in Gang.

 

Transfer ist 100 Prozent Overhead

Für die Finanzierung von Wachstum und Verbreitung gesellschaftlicher Lösungen ist diese Analyse bedeutsam. Denn es ist klar: Wer nichts neu erfinden, sondern eine bereits bewährte, möglicherweise seit Jahren etablierte Lösung vergrößern und verbreiten möchte, verursacht nahezu ausschließlich die berüchtigten Overhead-Kosten. Das macht die Suche nach passenden Finanzierungspartnern zu einer besonderen Herausforderung.

So gilt beispielsweise für staatliche Stellen und für einige große Stiftungen die Förderrichtlinie, dass ein Projekt noch nicht begonnen haben darf, bevor die ersten Mittel fließen. Das macht es schon schwierig, über Verstetigung, Verbreitung und Organisationsentwicklung überhaupt nur zu reden.

Gleichwohl lohnt es sich. Denn die fördernde Seite denkt um. Wirkung wird zusehends wichtiger als Modellhaftigkeit. Gemeinschaftliches und vernetztes Wirken gewinnt an Bedeutung und löst das jahrzehntelange Streben nach den berühmten Leuchttürmen ab.

Voraussetzung ist ein neuer, offener Dialog zwischen Förderern und Geförderten. Einige konkrete Schritte können dabei helfen, diesen Dialog erfolgreich zu gestalten.

Förderbedarf realistisch und transparent planen

Welche Ressourcen benötigen Sie für Ihr Vorhaben, um es wirklich erfolgreich und vor allem nachhaltig zu gestalten? Ein zwanghaftes Herunterrechnen der Transferkosten ist ebenso falsch wie die Absicht, möglichst viel Geld aus dem anvisierten Fördertopf herauszuholen. Beides erkennen erfahrene Fördereinrichtungen recht schnell.

Ein Kosten- und Finanzierungsplan sollte alle vorgesehenen Einnahmen und Ausgaben transparent aufzeigen. Widerstehen Sie der Versuchung, Managementkosten in Projektausgaben zu verstecken. Ein Förderer, der nicht versteht, dass die Finanzierung der Verbreitung und Skalierung immer auch Organisationsentwicklung umfasst, ist für ein Transfervorhaben ohnehin nicht der richtige Partner.

Finanzierungsmix anstreben

Fünfmal 5.000 Euro sind mehr wert als einmal 25.000. Zeigen Sie Ihrem potenziellen Förderpartner deutlich, dass Sie nicht allein auf ihn setzen möchten, sondern weitere Finanzierungsquellen erschließen. Je breiter der Finanzierungsmix aufgebaut ist, desto besser. Können Sie einen Teil der Kosten durch bezahlte Leistungen hereinholen? Gibt es die Möglichkeit, Mitgliedsbeiträge zu erheben? Eignet sich Ihr Vorhaben für Crowdfunding? Erzielen Sie bei Transfervorhaben Lizenzgebühren vom Projektübernehmer? Bauen Sie ein Fördernetzwerk aus lokalen Unternehmen, staatlichen Stellen und Stiftungen auf?

Ein Finanzierungsmix macht unabhängiger und sicherer als eine Monofinanzierung. Und die Zeiten, in denen Förderer möglichst allein bleiben wollten, um sich selbst den Erfolg einer sozialen Innovation auf die Fahne zu schrieben, sind vorbei. Es ist übrigens kein Zeichen von Schwäche, den potenziellen Förderpartner nach weiteren Finanzierungsquellen zu fragen. Stiftungen und fördernde Unternehmen sind untereinander gut vernetzt. Immer häufiger gehen sie fördernde Kooperationen ein.

Perspektiven aufzeigen

Keine Förderung währt ewig. Zu Recht stellen soziale Investoren Ihnen sehr wahrscheinlich früh die Frage: „Was passiert, wenn wir gehen?“ Darauf sollten Sie eine Antwort haben. Keine Stiftung, keine öffentliche Stelle und kein Unternehmen möchte heute mehr eine soziale Initiative fördern, die nach der gemeinsamen Zeit sofort zusammenbricht.

Ihre Antwort sollte realistisch ausfallen. Organisationen, die nach einer Anschubfinanzierung eines Förderpartners komplett eigenwirtschaftlich arbeiten, sind seltene Ausnahmen. Das wissen die Förderer. Bauen Sie dabei keine Luftschlösser. Nicht alle Schritte müssen funktionieren. Aber zeigen Sie in Ihrem Businessplan, dass Sie einen Weg zu einer dauerhaft tragenden Struktur kennen.

Und, auch wenn es hart klingt: Kennen Sie diesen Weg nicht, dann lassen Sie es besser. Ihr Vorhaben trägt nicht.

 

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Gemeinsames Wirken ausschöpfen

Gesellschaftliche Herausforderungen löst man nicht im Alleingang. Die Neuartigkeit und das Modellhafte sind längst nicht mehr so wichtig wie die Kooperationslandschaft in der sich eine soziale Initiative entwickelt. Zeigen Sie dem potenziellen Förderer auf, welche Partner Sie mit an Bord haben. Von wem haben Sie gelernt, und wer lernt von Ihnen? Arbeiten Sie beim Erreichen des Ziels mit anderen Organisationen oder beispielsweise Kommunen zusammen? Geht diese Zusammenarbeit über informelles Netzwerken hinaus?

Zeigen Sie echte Synergien auf. Vielleicht brauchen Sie gar keine eigene Geschäftsstelle, sondern können unter ein bestehendes Dach schlüpfen. Was eine andere Organisation in Ihrem thematischen oder regionalen Umfeld schon leistet, müssen Sie nicht selbst aufbauen.

Um mehr als um Geld bitten

Förderer wollen meist mehr geben als Geld. Schließlich haben sie oft andere Kompetenzen zu bieten als eine zivilgesellschaftliche Organisation. Fragen Sie, was ein Förderer außer Geld einbringen kann, um den gemeinsam gewollten Transferprozess erfolgreich zu gestalten. Ein guter sozialer Investor begleitet Sie partnerschaftlich, stellt seine Netzwerke und Kontakte zur Verfügung und gegebenenfalls die konkrete Hilfe seiner Mitarbeitenden.

 

Auf dem Fahrersitz bleiben

Blicken wir mal auf die Relationen im Verhältnis zwischen Förderern und Geförderten:

Nehmen wir an, Sie haben jahrelang an Ihrem Konzept gefeilt, Erfolge erzielt, Menschen konkret geholfen, eine soziale Innovation vor Ort etabliert. Sie haben Freiwillige gewonnen, ein Netzwerk aufgebaut. Sie haben jede Menge Erfahrungen und Wissen angesammelt.

Nehmen wir nun an, Sie haben einen Investor gefunden, der 20.000 Euro bereitstellen möchte, um das Wachstum und die Verbreitung Ihrer Lösung zu finanzieren.

Was ist mehr wert? Würde man Ihre bereits erbrachte Leistung in Geld umrechnen, käme leicht der zehnfache Wert der Förderung zusammen. Es gibt von daher keinen Grund für eine ergebene Haltung, wenn Fördermittel fließen. Bleiben Sie also selbstbewusst. Das ist nicht immer leicht, aber wichtig. Nehmen Sie Rat und Hilfe dankbar an. Aber lassen Sie keinen Zweifel daran aufkommen, dass Sie die Prozesse steuern.

Nicht in Planstellen denken, kreativ organisieren

Projektmanager sind bedauernswerte Menschen. Ihre Personalstelle steht im Mittelpunkt fast jedes Förderantrags. Es ist geradezu ein Ritual bei erfahrenen Antragschreibern: Erst mal muss die Stelle finanziert sein. Da wird dann alles reingepackt, was an Arbeit anfällt: Geschäftsführung, Öffentlichkeitsarbeit, Fundraising, Qualifizierung … Projektmanager können alles und machen alles. Sie sind Eier legende Wollmilchsäue.

Mal ehrlich: Soll ein Förderer ernsthaft glauben, dass so etwas zum Erfolg führt? Interessanter wirken Anträge, in denen sich die Initiatoren erkennbar vom Stellen-Finanzierungs-Denken gelöst haben. Ist das Potenzial an freiwilliger Mitarbeit ausgeschöpft? Welche Teilaufgaben lassen sich möglicherweise günstiger auf externe Dienstleister übertragen? Schnüren Sie zuerst die einzelnen Aufgabenpakete eines Vorhabens … und definieren Sie danach erst die jeweils erforderlichen Ressourcen. Leider ist der umgekehrte Weg noch immer die Regel.

Wirkungsorientiert handeln und planen

Wirkungsmessung gewinnt an Bedeutung. Verständlicherweise möchten soziale Investoren in bestimmten Abständen erkennen können, ob ihr Einsatz zum gewünschten Erfolg führt. Die klare Verständigung auf konkrete messbare Ziele und Meilensteine ist deshalb schon zu Beginn einer Zusammenarbeit bedeutsam. Nur wenn Erfolgsparameter von vornherein klar benannt sind, lassen sie sich später messen, ohne dass es zu Missverständnissen kommt.

Umfangreiche und anschauliche Informationen und Hilfen für eine wirkungsorientierte Planung bietet das Kursbuch Wirkung von Phineo.

 

Geld auch mal liegen lassen

Es gibt noch etwas, das für soziale Innovatoren schlimmer ist als kein Geld: das falsche Geld. Eine Kooperation ist nur dann erfolgreich, wenn beide Partner das gleiche Bild von dem Problem und das gleiche Vertrauen in den gewählten Lösungsansatz haben. Auch die Strategien müssen zusammenpassen. Wer eine erfolgreiche Lösung verstetigen und verbreiten will, braucht einen strategischen Partner. Mit einem reinen Projektförderer wären die Konflikte vorprogrammiert.

 

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Uwe Amrhein

Uwe Amrhein hat die Stiftung Bürgermut gemeinsam mit dem Stifter Elmar Pieroth aufgebaut und ist heute ehrenamtlicher Vorstand. Hauptamtlich arbeitet Amrhein als Leiter des Generali Zukunftsfonds. Zuvor war er Referatsleiter Presse und Information beim hessischen Main-Kinzig-Kreis und Chefredakteur einer lokalen Tageszeitung in der Rhein-Main-Region. Die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements gehört seit Jahren zu seinen Arbeitsschwerpunkten.

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