Schülerfirmennetzwerk: kreative Finanzierung eines sozialen Roll-outs

Das Bildungsprojekt em-Schülerfirmennetzwerk ermöglicht es Schülern, Schülerkioske in Eigenregie zu betreiben, unternehmerisches Handeln zu erleben und wichtige Kompetenzen für eine spätere Berufstätigkeit zu entwickeln.

Die Idee hinter dem em-Schülerfirmennetzwerk ist es, dass jede Schülerin und jeder Schüler die Chance bekommen soll, in einer von ihr oder ihm betriebenen Schülerfirma wirtschaftliche Zusammenhänge kennenzulernen, selbst auszuprobieren und dabei wichtige Erfahrungen für einen späteren Beruf zu sammeln. Was heißt das konkret? Schülerinnen und Schüler werden zu Unternehmern, indem sie in eigener Verantwortung einen Schülerkiosk betreiben. Stufenübergreifende Schülerteams von Acht- bis Zehntklässlern verkaufen in den Schulpausen belegte Brötchen, Getränke und Schreibwaren an Mitschüler. Angeleitet wird das Projektteam vom em-Schülerfirmennetzwerk, das dauerhaft erster Ansprechpartner und Unterstützer ist. Die Belieferung der Kioske erfolgt über Vertragspartner des em-Schülerfirmennetzwerks, die täglich von jedem Schülerkiosk eine Bestellung erhalten. Vorbereitung und Betrieb des Projekts erfolgen nach vordefinierten Standards und Prozessabläufe, die in einer Pilotphase erarbeitet wurden. Das Pilotprojekt habe ich nach meinem BWL-Studium als Fellow der Bildungsinitiative Teach First an drei Teach First Partnerschulen in NRW im Schuljahr 2010/11 realisiert. Die Kioskidee hatte durchschlagenden Erfolg, und mit dem Ziel, jeder interessierten Schule eine Schülerfirma zu ermöglichen, habe ich versucht, das Konzept zu verbreiten.

Integration neuer Standorte und Finanzierung

Neue Schulen werden in einem klar definierten Verfahren Teil des em-Schülerfirmennetzwerks. Nach einer Kennenlernphase bewerben sich Schüler persönlich beim Netzwerk. Überzeugen diese in einem Bewerbungsgespräch, folgt ein intensiverer zweitägiger Auftaktworkshop. In diesem Workshop stehen dann die operativen Basics, Hygienevorgaben und Teambuilding auf dem Stundenplan. Dann geht es in einen zweiwöchigen Testbetrieb, während dessen ich circa jeden zweiten Tag vor Ort bin. Danach stehen wir bei Fragen per Telefon zur Verfügung und kommen etwa einmal im Monat vorbei.

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Die einzelnen Kioske vor Ort sind keine eigene juristische Person. Sie schließen auch keine Verträge mit dem em-Schülerfirmennetzwerk. Die Kooperation basiert auf einem Vertrauensverhältnis, das bislang wenig strapaziert wurde. Technisch gesprochen arbeiten wir nach einem Franchise-Modell, auch wenn der Begriff im Kontext Schule nicht besonders gut passt. Deshalb sprechen wir lieber von einer Netzwerkstruktur.

Inzwischen firmiert das em-Schülerfirmennetzwerk als Breker Social Business gUG mit mir als Geschäftsführer. Die gUG betreibt derzeit 7 Schülerfirmen in NRW. Wir verstehen uns als externe Bildungsinitiative, die nicht direkt in den Unterricht integriert ist. Das Interesse der Lehrer, Mehraufwand zu betreiben, um das Projekt in den Unterricht einzubetten, ist sehr begrenzt. Stattdessen bietet das em-Schülerfirmennetzwerk Schülerinnen und Schülern alle zwei Monate die Möglichkeit, an kostenlosen Workshops zu Wirtschaftsthemen und zum Thema Übergang Schule Beruf teilzunehmen oder Unternehmen aus der Region zu besichtigen.

Wenig Rückenwind kommt auch von den Hausmeistern. Oft gehört es zu ihren Pfründen, selbst den Schulkiosk zu betreiben. Diese zusätzliche Einnahmequelle wollen sie in der Regel nicht aus der Hand geben.

Von einem Ciabatta mit Tomate und Mozzarella, unserem Bestseller, bezahlt die gUG 1,35 Euro an den Lieferanten und gibt es für 1,70 Euro an den Kiosk weiter, der es dann für 2,00 Euro verkauft. Es sind kleine Beträge, die hier zusammenkommen, aber sich am Ende summieren. Bei 15 Schulen, die mitmachen, würden wir mit einer schwarzen Null arbeiten.

Derzeit wird mein Vollzeit-Engagement durch ein Stipendium von Vodafone World of Difference finanziert. Zusätzlich lief 2012 eine sehr erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne, die gut 20.000 Euro eingespielt hat.

Exot im Schulbetrieb

Unser Ansatz ist zunächst einmal etwas exotisch im Umfeld Schule, da dieses alles andere als unternehmerisch angelegt ist. Oft machen Schülerinnen und Schüler mit dem Kiosk erstmals an einer Schule die Erfahrung, dass sie etwas bewegen und verändern können. Wir signalisieren, dass wir ihnen zutrauen, dass sie das Projekt gestemmt bekommen. Für unser Sozialunternehmen heißt es aber auch, dass wir das Risiko voll tragen. Wenn also jemand Geld unterschlagen sollte, stehen wir dafür gegenüber dem Lieferanten gerade. Bei der aktuellen Dimensionierung des Projekts funktioniert dieses System noch. Bei der weiteren Skalierung müssen wir aber auch über Dinge wie Verträge und Haftung nachdenken.

Hinsichtlich der Wirkung des Schülerfirmennetzwerks haben wir von Ausbildungsbetrieben und Berufskollegen sehr gute Rückmeldungen bekommen. Die Schüler aus dem Netzwerk bringen beispielsweise eine ausgeprägte Verlässlichkeit mit, die sie sicherlich auch beim Kiosk-Engagement gelernt haben. Wir stellen immer wieder fest: Die Jugendlichen bekommen Lust, im Kleinen unternehmerisch tätig zu sein, etwas zu verändern, setzen sich eigene Ziele und können diese tatsächlich auch erreichen. Dabei übernehmen sie Verantwortung und entwickeln Selbstbewusstsein.

Der ausführliche Jahres- und Wirkungsbericht 2012 – erstellt nach dem Social Reporting Standard – ist auf der Homepage veröffentlicht: www.emnetzwerk.de

Tim Breker

Tim Breker hat an der WHU-Otto Beisheim School of Management Betriebswirtschaftslehre studiert und anschließend zwei Jahre als Fellow der Bildungsinitiative Teach First Deutschland (TFD) an der Käthe-Kollwitz-Schule in Langenfeld gearbeitet. Neben seiner Lehrtätigkeit in den Schulfächern Arbeitslehre, Wirtschaft und Informatik hat er dort eine Schülerfirma zum Verkauf von Schulbedarf und eine Schülerfirma für den Pausenverkauf von Verpflegung initiiert und mit zwölf Schülern eineinhalb Jahre betrieben. Er kennt die Abläufe im Mikrokosmos Schule und es macht ihm Spaß, die SchülerInnen dabei zu unterstützen, wirtschaftliches Handeln in ihrer eigenen Schülerfirma zu lernen.

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