Begegnungen in sozial herausfordernden Stadtteilen

Das Icon, das für Session-Dokumentationen steht.Marlen Söder und Kirsten Sieber vom Blickwechsel e.V. auf dem openTransfer CAMP # Patenschaften am 25. März 2017 in Schwerin

In Neu-Olvenstedt, einem Stadtteil in Magdeburg, der als sozialer Brennpunkt gilt, möchte der Verein Blickwechsel Alteingesessene und Geflüchtete zusammenbringen und das Miteinander verbessern. In ihrer Session sammelten sie dafür Ideen.

Der Magdeburger Stadtteil Neu-Olvenstedt ist geprägt von Arbeitslosigkeit und sozialer Benachteiligung. Hier, wo es unter den Anwohnerinnen und Anwohnern oft Vorurteile gegenüber Zugezogenen gibt, wurde nun ein Flüchtlingsheim für 400 Bewohnerinnen und Bewohner gebaut. Eine schwierige Situation, die der Blickwechsel e.V. durch Begegnungen zu entschärfen versucht. So bietet der ehrenamtlich geführte Verein etwa Spieleabende, Frauencafés oder auch Grillabende. Doch der Verein merkt: Es gibt weiterhin Berührungsängste, und es werden keine langfristigen Beziehungen aufgebaut. Zwar gibt es auch Patenschaften, die sehr gut funktionieren. Doch die Patinnen und Paten kommen hierbei in den meisten Fällen von außen und nicht aus dem Stadtteil selbst. Außerdem werden die Aktivitäten teilweise von politisch rechts Motivierten „gekapert“. Viel Mühe wird also in die Deeskalation dieser Situationen gesteckt. Wie schafft man es, alle Menschen aus dem Stadtteil – Alteingesessene und Neuzugezogene – einzubinden? Verschiedene Lösungsansätze wurden mit den Teilnehmenden der Session diskutiert.

Zwei Frauen sitzen in einem Stuhlkreis und hören jemandem zu.

Wie viel Empowerment braucht es?
Noch ist es so, dass der Verein die meisten Aktivitäten initiiert. Das ist sicherlich auch sinnvoll, da seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Stadtteil gut vernetzt sind und viele Menschen erreichen. Nichtsdestotrotz könnte und sollte man die Bewohnerinnen und Bewohner mehr in die Entwicklung von Aktivitäten einbeziehen. Vor allem diejenigen, die schon lange im Stadtteil wohnen, fühlen sich oft benachteiligt. Würden sie stärker involviert, würde sich dies vielleicht ändern. Schließlich würden sie „empowert“, die Entwicklung ihres Stadtteils selbst mitzugestalten. Teilweise passiert das auch schon. Eine Bewohnerin näht zum Beispiel sehr gerne und wird nun einen Nähkurs anbieten. Trotzdem muss der Verein immer noch vor Ort vertreten sein und die Leitung übernehmen. Für viele Aktivitäten fehlt daher die Zeit.

Vorhandene Ressourcen nutzen
Um das Problem der geringen Ressourcen zu lösen, war ein Vorschlag aus dem Teilnehmerkreis der Session, zu schauen, wer sonst noch im Stadtteil tätig ist, wie zum Beispiel die AWO oder das Stadtteilzentrum. Blickwechsel e.V. könnte gemeinsam mit anderen Organisationen kooperieren und so Ressourcen teilen.

Niederschwellige Angebote schaffen
Um möglichst viele Menschen anzusprechen, ist es wichtig, niederschwellige Angebote zu schaffen und flexibel auf die Bedarfe der Menschen einzugehen. So können zum Beispiel ganzjährig laufende Aktivitäten stattfinden ebenso wie einmalige Events. Schließlich will sich nicht jeder langfristig binden. Außerdem könnten Veranstaltungen in Räumen stattfinden, die vertraut sind, wie etwa Schule oder Kita. Wichtig ist es, Vertrauen zu schaffen und miteinander zu sprechen. Das gelingt immer dann gut, wenn Menschen dort abgeholt werden, wo sie stehen. Um sichtbar zu bleiben, sollte der Verein immer wieder neue Angebot machen.
Oftmals orientieren sich die Angebote, wie Gesprächsgruppen, um Deutsch zu lernen, eher an den Bedarfen der Geflüchteten. Alteingesessene werden nur erreicht, wenn sie ohnehin schon an einer Begegnung interessiert sind. Um aber auch diejenigen zu erreichen, die das noch nicht sind, sollte noch einmal stärker der Bedarf der Menschen, die schon lange in dem Stadtteil wohnen, eruiert werden. Was bewegt sie? Was möchten sie in dem Stadtteil erreichen? Die Themen Geflüchtete und Integration sollten dabei nicht im Fokus stehen. Vielmehr sollte man versuchen, alle zusammenzubekommen, um „ihren“ Stadtteil noch weiter zu entwickeln. Begegnungen – hoffentlich auch langfristige – ergeben sich dann durch die gemeinsamen Interessen.

http://blickwechsel-magdeburg.de/

Foto: Andi Weiland

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Julia Meuter

Julia Meuter arbeitet als Leiterin Transferberatung bei der Stiftung Bürgermut. Zuvor war sie bei der EVPA tätig und leitete beim Bundesverband Deutscher Stiftungen das „Social Franchise Projekt“ sowie „Effektn –Methoden erfolgreichen Projekttransfers“. Sie hat ein umfangreiches Wissen zu Fragen der systematischen Skalierung von Gemeinwohllösungen und ist Autorin zahlreicher Publikationen und Praxis-Ratgeber zum dem Thema.

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